„Durch die Kooperation von Jugendhilfe und Schule im Bereich demokratischer Bildung entsteht ein eigenständiger Bildungsraum.“ Fünf Fragen an Oliver Bokelmann

Dr. Oliver Bokelmann ist wissenschaftlicher Referent am Arbeitsbereich Sozialpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Universität Münster. Aktuell forscht er dazu, wie die Wahrnehmung und Erfahrung rechter Bedrohungen das Engagement junger Menschen beeinflusst und wie dem begegnet werden kann. Im Interview beschreibt er außerdem Potenziale für politische Bildung durch die Kooperationen von Jugendhilfe und Schule.


Dr. Oliver Bokelmann (Foto: © Bokelmann)

Dr. Oliver Bokelmann ist wissenschaftlicher Referent am Arbeitsbereich Sozialpädagogik des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Universität Münster. Aktuell forscht er dazu, wie die Wahrnehmung und Erfahrung rechter Bedrohungen das Engagement junger Menschen beeinflusst und wie dem begegnet werden kann. Im Interview beschreibt er außerdem Potenziale für politische Bildung durch die Kooperationen von Jugendhilfe und Schule.

1. Was ist Ihr aktuelles und was war Ihr letztes Forschungsprojekt zur politischen Bildung?

Aktuell untersuchen wir im Projekt „Gefährdete Demokratie und die Konsequenzen für die Engagementbereitschaft junger Menschen“, (gefördert von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt), wie rechte Bedrohungen das Engagement junger Menschen beeinflussen und welche Schutz- und Präventionsstrategien wirksam sind. Die Erkenntnisse des Forschungsprojekts werden genutzt, um praxisorientierte Lösungen zu entwickeln. Zuvor habe ich zu Demokratiebildung in Kooperation von Jugendhilfe und Schule geforscht – zu den Potenzialen der Aneignung demokratischer Kompetenzen im „Zwischenraum“ beider Systeme.

2. Welche Ihrer Forschungsergebnisse schätzen Sie als besonders relevant für die Praxis politischer Bildung ein?

Meine Forschung zeigt: Durch die Kooperation von Jugendhilfe und Schule im Bereich demokratischer Bildung entsteht ein eigenständiger Bildungsraum, der weder ausschließlich schulisch geprägt ist noch den Logiken der Kinder- und Jugendhilfe folgt. Dieser „fluide Zwischenraum“ eröffnet neue Chancen für die selbstbestimmte Aneignung demokratischer Kompetenzen – insbesondere im Bereich von Sozial- und Selbstkompetenzen – und steht für ein breiteres Demokratieverständnis jenseits politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit.

3. Welche Themen im Kontext politischer Bildung sollten Ihrer Meinung nach beforscht werden?

Wir brauchen mehr Forschung zu demokratiepädagogischen Ansätzen jenseits der Schule: Wie entstehen reflexive Bildungsräume in der Kinder- und Jugendhilfe – etwa in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der Schulsozialarbeit? Bisher dominiert dort der Blick auf formale Mitbestimmung. Entscheidend ist aber, Alltagserfahrungen junger Menschen aufzugreifen – Fragen von Gerechtigkeit, Konflikt, Diversität, Selbstwirksamkeit – und daraus Räume für Reflexion und Demokratiebildung zu schaffen.

4. Welchen Gewinn kann ein Dialog von Wissenschaft und Praxis und ein Austausch zwischen den Wissenschaftsdisziplinen für die politische Bildung bringen?

Wissenschaft kann Praxis nur stärken, wenn sie ihre Sprache spricht und offen für Erfahrungswissen bleibt. Forschung sollte mit der Praxis, nicht über die Praxis entstehen. Partizipative Ansätze fördern wechselseitiges Lernen und verhindern Abstraktion. Auch Adressat*innen müssen stärker einbezogen werden. Zwischen den Disziplinen gilt: weniger Abgrenzung, mehr Fokus auf das Verbindende, um politische / demokratische Bildung gemeinsam weiterzuentwickeln.

5. Die Fachstelle politische Bildung hat eine Landkarte der Forschung zur politischen Bildung entwickelt, um Austausch und feldübergreifende Zusammenarbeit zu fördern, zwischen und innerhalb der Wissenschaftsdisziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sind dort mit einem Eintrag vertreten. Über welche Kontaktaufnahmen oder Anfragen anderer Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen oder sonstiger Interessierter würden Sie sich freuen?

Über Kontakte zu Forschenden und Praktiker*innen, die zu Demokratiebildung in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule arbeiten, würde ich mich freuen. Dieses Feld birgt viele ungenutzte Potenziale – etwa in der Ganztagsbildung, in sozialräumlichen Projekten wie Service Learning oder gemeinsamen Gedenkstättenaktivitäten. Die Kinder- und Jugendhilfe bringt dafür erprobte Ansätze und stabile Beziehungen zu jungen Menschen mit, die in Kooperation mit Schule ganzheitliche Bildung ermöglichen.



Veröffentlicht am 30.10.2025

 

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